Die Kunst des
Modellierens
Wenn man den Porträtkopf eines
Menschen in Ton nachbilden möchte, dann wird man bemerken,
dass eine Form, von der man meint, sie wirklich gut zu
kennen, trotzdem plastisch ausgesprochen schwer wieder zu
geben ist.
Doch wenn man sich nichtsdestotrotz
an die Kunst des Modellierens wagt, auch wenn man
sich anfangs ständig mit dem eigenen Scheitern auseinander
zu setzen hat, dann wird man entdecken, dass man seine
eigene Wahrnehmung enorm schult.
Man beginnt seine Mitmenschen sehr
genau zu beobachten – erforscht die Erhebungen seiner
Wangenknochen, beachtet intensiv die Augen, wie sie in
ihren Höhlen liegen, wie die Augenlider die Augäpfel
verdecken, entdeckt den Mund mit seinem besonderen Schwung
und mit jedem Wechsel der Perspektive erforscht man die
Teile des Gesichtes aufs Neue.
Und die Entdeckungsreise findet damit
noch kein Ende, denn das Gesicht ist der Spielplatz der
Gefühle. Dort lässt sich ablesen, was sich zwischen den
Ohren - im Gehirn und auch im Herzen, abspielt. Und noch
tiefer eingeprägt als die flüchtigen Gefühle sind dann
die, die sich im Gesicht auf Dauer manifestiert haben und
dem Porträt seinen Charakter geben.
Der Charakter schneidet seine
Linien tiefer ins Gesicht und formt den Porträtkopf
zusammen mit der Umgebung des Menschen, dessen Gesicht man
betrachtet.
Wenn man in der Kunst des
Modellierens dann durch die neue Art zu schauen mehr und
mehr Erfahrungen sammelt, dann wird man immer sensibler
dafür, welche Gefühlsregungen bei einem selbst erwachen,
wenn man an der Plastik eines Porträtkopfes und den
Gefühlen, die sich darauf spiegeln sollen, arbeitet.
Mit dem Beginn der Arbeit begibt man
sich auf eine Reise und erlebt, wie jedes Gefühl und jede
Eigenschaft, die man an dem äußeren Objekt abbildet, auch
in einem selbst zum Klingen gebracht wird. Diese Reisen zu
unternehmen treibt den Künstler in der Kunst des
Modellierens an.
Die Liebende
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